Roswitha Arnold: „Mit Nazis spaziert man nicht“

Die Fraktionschefin der GRÜNEN im Leverkusener Stadtrat, Roswitha Arnold, über „Querdenker“, den Start der Ampel in Berlin und den Karneval

Interview von Bernd Bussang (Rheinische Post, Redaktionsleiter in Leverkusen und stellvertretender Leitender Regionalredakteur)

Die Stadt hat 2021 viel erdulden müssen und läuft wegen der Pandemie weiter im Krisenmodus. Was können wir lokal tun, um zurück zur Normalität zu gelangen?

ROSWITHA ARNOLD Was ist normal? Klar, wir alle sind nach zwei Jahren „Pandemie-müde“ und wollen so schnell wie möglich in unser altes Leben zurück: Wieder anderen Menschen ohne einen Mindestabstand von 1,5 Metern begegnen, Freunde in den Arm nehmen, mal wieder feiern, unbeschwert sein. Aber das Virus wird uns noch eine Zeit begleiten, und die Erfahrungen der letzten beiden Jahre haben uns alle auf unterschiedliche Weise geprägt. Zu den Folgen der Explosion sind viele Fragen noch völlig offen, und auch die Frage, welche Lehren wir aus der Flut ziehen, ist noch nicht beantwortet. Ich wünsche mir, nicht einfach da anzuknüpfen, wo wir Ende 2019/Anfang 2020 stehen geblieben sind, sondern wir die Chance nutzen, Zukunft neu zu denken. Das ist doch ein inspirierender Gedanke, aus der Vergangenheit zu lernen und neue Maßnahmen zu entwickeln: Strategien zu den Folgen des Klimawandels und hierzu gute Beispiele nutzen; zeitgemäße und digitale Bildungsangebote schaffen, Schulen ein Update geben; eine kreative und nachhaltige Stadtgestaltung, Sicherung von Teilhabe aller Menschen und Stärkung der Stadtgesellschaft; soziale und kulturelle Identifikation und vieles mehr. Bei den Katastrophen des letzten Jahres haben wir die große Solidarität und den Zusammenhalt in unserer Stadt mit den Geschädigten erlebt. Das ist eine schöne Grundlage, gemeinsam und lokal die Zukunft anzugehen.

Wie groß ist Ihr Verständnis für Querdenker und Coronaschutz-Demonstranten?

ARNOLD Demokratie lebt vom Widerspruch und der Auseinandersetzung, aber das, was sich aktuell bei den Demonstrationen und in dieser Szene abspielt, hat damit absolut nichts zu tun. Und, dass bei den Corona-Schutzmaßnahmen Vergleiche zur Apartheid angeführt werden, verhöhnt die Opfer eines menschenfeindlichen Systems. Mit ihren Aufrufen zu den Demos verbrämen Rechtsextreme, Neo-Nazis, Reichsbürger und Verschwörungsmystiker nur ihre demokratiefeindlichen Absichten und gerieren sich als Rattenfänger. Abgesehen davon, dass die Bezeichnung als Quer“denker“ ziemlich gewagt ist, behaupten die Mitläufer ja oftmals, sie hätten gar keinen rechtslastigen Hintergrund. Ich zitiere: „Mit Nazis spaziert man nicht. Niemals.“ (©Zusammen gegen Rassismus)

Wie zufrieden sind sie mit dem Start der neuen Bundesregierung?

ARNOLD Sehr zufrieden bin ich unseren grünen Minister*innen; in allen von ihnen geführten Ressorts ist eine hohe Leistungsbereitschaft und tolles Engagement vorhanden. Robert Habeck hat als verantwortlicher Minister für unsere inhaltlich wichtigsten Themen praktisch in der Minute Eins begonnen, die Transformation zu den erneuerbaren Energien auf den Weg zu bringen und dabei Unternehmen und Menschen mitzunehmen. Was ich wirklich bemerkenswert finde: Die Koalitionsparteien haben den ideologischen Ballast aus der Vergangenheit beiseitegeschoben; sie haben erkannt, dass Politik für die Zukunft gemacht wird und Lösungen für die Herausforderungen neu gedacht werden müssen. Ich hoffe sehr, dass dies für die kommenden Jahre weiter trägt.

Holen Sie Karneval ihr Kostüm aus dem Schrank?

ARNOLD Ich habe mir ja bisher für jedes Sessionsmotto ein neues Kostüm genäht. Da es auch in diesem Jahr eher wenige Gelegenheiten geben wird, Karneval zu feiern, werde ich im Fall der Fälle wohl in meinen Fundus greifen.

Was sind für die GRÜNEN die drei wichtigsten lokalen Themen für 2022?

ARNOLD Natürlich stehen für uns die Themen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel im Vordergrund. Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat erneut gezeigt, dass wir mehr tun müssen. Bereits seit langem fordern wir beispielsweise ein Schwammstadt-Konzept für Leverkusen, denn auch für zunehmende Hitze- und Dürreperioden müssen wir die Stadt fit machen. Darüber hinaus kämpfen wir weiter für eine Grünsatzung. Die beschlossenen Maßnahmen zur Energie- und zur Verkehrswende müssen umgesetzt werden. Sonst erreichen wir die selbst gesteckten Ziele nicht. Ein „Weiter so“ verbietet sich. Wir setzen daher darauf, dass wir nunmehr auch politische Mehrheiten für die Umsetzung konkreter Maßnahmen finden. Weitere wichtige Themen sind für uns der Umgang mit der Explosion im Entsorgungszentrum, den entstandenen Umweltschäden und der angekündigten Wiederinbetriebnahme sowie der Widerstand gegen die Planungen zum Autobahn-Ausbau. Auch bei diesen Themen wird das Jahr 2022 wegweisend sein.

Das Interview wurde in der Leverkusener Lokalausgabe der Rheinischen Post am 30. Januar 2022 veröffentlicht. Autor: Bernd Bussang. Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Lokalredaktion.

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